MEIN ALLTAG MIT MS
Kinderwunsch, Familienplanung
und Schwangerschaft mit MS
Eltern werden zu wollen ist für viele Menschen ein inniger Wunsch. Gerade in jungen Jahren, häufig direkt nach der MS-Diagnose, aber auch in den Jahren danach, sind Kinderwunsch, Schwangerschaft und Familienplanung wichtige Themen. Ist dies doch die Zeit, in der Ausbildung, Studium oder erste Berufsjahre hinter einem liegen und für einige dann der nächste Lebensabschnitt beginnen soll: die Gründung einer eigenen Familie.
Viele Fragen kommen nun auf den Tisch und müssen geklärt werden. Welchen Einfluss hat eine bestehende Therapie auf meine Fruchtbarkeit? Wie lassen sich eine Schwangerschaft und MS vereinbaren, vor allem in Hinblick auf die medikamentöse Therapie? Wie wirkt sich eine Schwangerschaft auf meinen Krankheitsverlauf aus?
Viele Fragen, viele Antworten. Die wichtigste vorweg: Eine Schwangerschaft mit MS ist möglich – sie erfordert nur ein wenig mehr Planung als üblich.1
Familienplanung mit MS – Gedanken vorab
Sie und Ihr Partner bzw. Ihre Partnerin überlegen sich gerade, ob und wann Sie mit der Familienplanung beginnen wollen? Sind sich in verschiedenen Punkten vielleicht noch unsicher? Haben noch Fragen? Dann helfen vielleicht die folgenden Antworten.
Wer kann uns kompetent beraten?
Die wichtigsten Ansprechpartner:innen sowohl vor als auch während und nach einer Schwangerschaft mit MS sind:
- Ihre behandelnde Neurologin bzw. Ihr Neurologe
- Ihre MS-Nurse
- Ihre Gynäkologin bzw. Ihr Gynäkologe
Wird meine Fruchtbarkeit durch die MS oder die MS-Therapie beeinflusst?
Nach heutigem Wissensstand wird weder die Fruchtbarkeit von Männern noch von Frauen durch die MS-Erkrankung eingeschränkt – auch nicht durch die medikamentöse MS-Therapie.2 Frauen mit MS können also, genau wie gesunde Frauen, schwanger werden, Männer können trotz MS ein Kind zeugen.
Was ist, wenn sich der Kinderwunsch mit MS nicht erfüllt?
Werden Sie trotz Kinderwunsch mit MS nicht schwanger, sprechen Sie mit Ihren Ärzt:innen darüber. Es kann viele Gründe dafür geben, die nichts mit Ihrer MS zu tun haben müssen. Möglicherweise schlagen Ihre Ärzt:innen Ihnen eine Kinderwunschbehandlung vor. Dann sollten Sie wissen, dass eine damit verbundene Hormonstimulation das Schubrisiko erhöhen kann, wenn die MS-Therapie vor der Kinderwunschbehandlung abgesetzt oder nicht begonnen wurde.
Eine neuere Studie zeigt jedoch, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Schub zu bekommen, deutlich sinkt, wenn die MS-Therapie während der Stimulation beibehalten und erst nach positivem Schwangerschaftstest abgesetzt wird. Wird eine Frau nach einer Stimulationstherapie schwanger, ist das Schubrisiko minimal.2
Wann ist der richtige Zeitpunkt, eine Schwangerschaft zu planen?
Den „richtigen“ Zeitpunkt für eine Schwangerschaft mit MS zu finden, ist immer schwierig. Ein Kind zu bekommen, sich Tag und Nacht darum zu kümmern, fordert von beiden Elternteilen viel Energie und Ausdauer – auch ohne MS. Bereiten Sie sich möglichst darauf vor, indem Sie z. B. ein Netzwerk aus Familie und Freund:innen aufbauen, das Sie bei Bedarf unterstützen kann.
Lassen Sie sich von Ihren behandelnden Ärzt:innen beraten, welchen Zeitpunkt diese unter Berücksichtigung Ihres aktuellen Krankheitsverlaufs für günstig halten.
Was wird sich in Bezug auf meine MS-Therapie verändern?
Wenn Sie eine Schwangerschaft planen, suchen Sie als erstes das Gespräch mit Ihrer behandelnden Neurologin oder Ihrem Neurologen. Diese Empfehlung gilt auch für Männer mit MS. Einige der üblichen MS-Medikamente dürfen während einer Schwangerschaft nicht genommen oder sollten bereits davor abgesetzt werden. Besprechen Sie, wie das Vorgehen in Ihrem persönlichen Fall aussehen soll.
TIPP
Ausführliche Informationen zum möglichen Einsatz von Medikamenten während der Schwangerschaft und Stillzeit finden Sie in der „Leitlinie Multiple Sklerose für Patientinnen und Patienten“.
„ES IST NIE DER RICHTIGE ZEITPUNKT, AUSSER DU MACHST IHN DAZU.“
unbekannt
Es ist soweit – Schwangerschaft mit MS
Wenn es dann so weit ist, Ihre Schwangerschaft bestätigt wird, ist dies erst einmal ein Grund zur Freude. Nehmen Sie sich Zeit für sich, genießen Sie den neuen Zustand Ihres Körpers und bereiten Sie sich vor.
Was kann ich selbst während meiner Schwangerschaft tun?
Wie für alle Schwangeren sind ein gesunder Lebensstil, eine ausgewogene Ernährung, Bewegung und ausreichende Ruhepausen wichtig. Möglicherweise ist – in Absprache mit Ihrer Ärztin oder dem Arzt – auch die zusätzliche Einnahme von Folsäure und Vitamin D empfehlenswert.3
Gönnen Sie es sich, kürzerzutreten. Versuchen Sie Stress zu vermeiden, Entspannung und Achtsamkeit als festen Bestandteil in Ihr Leben zu integrieren.
TIPP
Wie das gehen kann, können Sie in unserem Blogartikel „Achtsamkeit und Meditation bei MS“ nachlesen.
So kann sich eine Schwangerschaft auf den Verlauf der MS auswirken
Interessanterweise kann sich eine Schwangerschaft positiv auf das Schubgeschehen auswirken: Mit jedem Schwangerschaftsdrittel wird das Risiko für einen MS-Schub in der Schwangerschaft niedriger. Während der Schwangerschaft fühlen sich die meisten Frauen mit MS wohl und belastbar. Dieser Schutz gegen neue Schübe ist allerdings nur vorübergehend – denn geheilt wird die MS durch eine Schwangerschaft nicht. In den ersten drei Monaten nach der Geburt steigt das Schubrisiko leider wieder an. Im Verlauf
des ersten Jahres pendelt sich das Schubgeschehen dann wieder auf den vorherigen Stand ein.4,5
Mögliche Beschwerden während einer Schwangerschaft mit MS
Sie können ganz beruhigt sein: Jede Frau hat gelegentlich Beschwerden, wenn sich ihr Körper auf die Schwangerschaft einstellt. Trotz MS werden Sie während Ihrer Schwangerschaft kaum andere Probleme haben als Frauen ohne MS. Einige wenige und seltene Ausnahmen: Wenn Sie vor der Schwangerschaft bereits MS-bedingte Blasenstörungen hatten, können sich diese möglicherweise verstärken.4 Auch das Risiko für Infektionen oder Frühgeburten scheint bei Schwangeren mit MS leicht erhöht zu sein.5 Machen Sie sich auch hier nicht zu viele Gedanken. Wenn Sie Ihre Vorsorgeuntersuchungen regelmäßig wahrnehmen und der Austausch zwischen Ihren Gynäkolog:innen und Neurolog:innen funktioniert, können mögliche Komplikationen frühzeitig bemerkt und behandelt werden.
Die Geburt mit MS
Die Schwangerschaft geht auf ihr Ende zu, die Geburt rückt näher. Wenn es Ihre erste Geburt ist, haben Sie vermutlich ähnliche Gedanken wie andere Frauen auch: Wird alles gut und normal verlaufen? Hoffentlich sind die Schmerzen erträglich … Auch hier gibt es beruhigende Nachrichten, denn die Geburt selbst läuft für Frauen mit MS in den meisten Fällen genauso ab wie bei Frauen ohne MS. Übermäßig starke Schmerzen können, wenn notwendig, mit einer Periduralanästhesie verhindert werden. Diese scheint nach bisherigen Erkenntnissen die Schubhäufigkeit nach der Geburt auch nicht zu beeinflussen.4
Sollten Sie eine MS-bedingte Spastik oder Muskelschwäche der Beine haben, kann es sein, dass ein Kaiserschnitt für Sie die bessere Wahl ist. Klären Sie dieses Thema möglichst vor der Geburt mit Ihrer Geburtsklinik ab.4
Stillen mit MS
Stillen ist für Mutter und Kind eine wunderbare, stark verbindende Erfahrung. Kein Wunder also, dass viele Frauen stillen möchten. Dies ist auch mit MS möglich. Volles Stillen scheint sogar vor Schüben zu schützen. Da jedoch die meisten Medikamente der Immuntherapien und symptomatischen Therapien in die Muttermilch übergehen, verschiebt sich der erneute Therapiebeginn noch weiter nach hinten. Klären Sie möglichst frühzeitig mit Ihren Neurolog:innen und Gynäkolog:innen ab, ob dies in Ihrer persönlichen Situation ein Problem darstellt oder nicht.4,5
Weitere Informationen und Links zum Thema
Das deutschsprachige Multiple Sklerose und Kinderwunsch Register (DMSKW) bietet schwangeren Frauen mit MS die Möglichkeit, an einer
Beobachtungsstudie teilzunehmen.
Das Projekt „Plan Baby bei MS“ der DMSG hilft bei allen Fragen rund um Schwangerschaft, Geburt, Stillen und Bewältigung des Familienalltags.
Weitere Informationen rund um das Thema Familienplanung bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Gute Ansprechpartner:innen sind immer auch die MS-Selbsthilfegruppen der DMSG oder die DMSG-Community.
Disclaimer
Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.
Quellen:
1. https://www.trotz-ms.de/leben/familie-partnerschaft/nachgefragt-prof-hellwig-uber-familienplanung-mit-ms
2. https://www.ms-und-kinderwunsch.de/allgemeine-informationen.html
3. https://www.ms-begleiter.de/wissen/prof-hellwig-mit-ms-schwanger-werden
4. https://www.familienplanung.de/schwangerschaft/beschwerden-und-krankheiten/schwanger-mit-einer-chronischen-erkrankung/multiple-sklerose
5. Leitlinie Multiple Sklerose für Patientinnen und Patienten. AWMF Registernr. 030-050, 1. Auflage, März 2022
Internetquellen zuletzt besucht am 01.08.2023