Formen der MS

Schübe bestimmen die Verlaufsformen der MS
Die Multiple Sklerose ist nicht durch ein einheitliches Krankheitsbild gekennzeichnet, das für alle Patient:innen gleich aussieht. Mediziner unterscheiden drei Arten der MS. Diese werden im Wesentlichen durch das Vorhandensein und die Häufigkeit von Schüben bestimmt.
Welche Verlaufsformen der MS gibt es?
In der Diagnostik der MS werden drei Verlaufsformen unterschieden:1
- schubförmig remittierende MS (RRMS)
- sekundär progrediente MS (SPMS)
- primär progrediente MS (PPMS)
Diese Verlaufsformen werden im Einzelnen noch unterschieden – je nachdem, wie aktiv bzw. nicht aktiv die MS-Erkrankung ist und ob sie fortschreitet oder nicht, d. h. progredient oder nicht progredient ist.2

Wie wird ein „Schub“ definiert?
Ein Schub ist gekennzeichnet durch:2
- Auftreten neuer neurologischer Symptome
- Wiederauftreten früherer oder Verschlechterung vorhandener Symptome
- Dauer von mindestens 24 Stunden
- Auftreten nach einem Zeitintervall von mindestens 30 Tagen nach einem vorausgegangenen Schub
- Und: Er ist nicht durch Änderungen der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen) oder aufgrund von Infektionen oder anderen körperlichen oder organischen Ursachen erklärbar.
Was passiert bei einem Schub?
Die Medizin definiert einen Schub als das Auftreten eines oder mehrerer Entzündungsherde (Läsionen) im zentralen Nervensystem (ZNS). Die Entzündungen schädigen dabei die Schutzschicht (Myelinschicht) rund um die Nervenfasern, was wiederum unterschiedliche Symptome wie z. B. Sehstörungen, motorische Störungen, spastische Störungen u. a. auslöst. Diese Symptome können bei jeder Verlaufsform der MS auftauchen.
Wie lange kann ein Schub dauern?
Die geschädigte Schutzschicht kann sich nach einem Schub teilweise wieder regenerieren. Die Nervenzellen werden zum Teil „remyelinisiert“. Nach mehreren Wochen können sich die Beschwerden vollständig oder teilweise zurückbilden. Das wird dann als „Remission“ bezeichnet. Sind Entzündungen stärker ausgeprägt, kann eine Art Narbengewebe (Sklerose) nach der Abheilung zurückbleiben. Einschränkungen der Nervenfunktion bleiben dann möglicherweise dauerhaft bestehen. Abhängig von den Formen der MS können zwischen den einzelnen Schüben manchmal mehrere Monate oder gar Jahre liegen.3

Was ist ein Pseudo-Schub?
Der Name sagt es schon: Es ist kein echter Schub, fühlt sich aber so an und kann bei allen Verlaufsformen der MS auftauchen. Typisch ist: Ein „Pseudo-Schub“bei MS dauert oft nur wenige Stunden und kann durch Stress, Hitze oder auch sportliche Extrembelastung ausgelöst werden. Auch fieberhafte Infekte oder mit Schmerzen verbundene Erkrankungen gehen manchmal mit einem Pseudo-Schub einher. Klingt das Fieber oder die Schmerzen ab, gehen auch die neurologischen Beschwerden zurück.4
Wie sieht die Schubtherapie aus?
Unabhängig von der Form Ihrer MS-Erkrankung: Wenn Sie einen akuten MS-Schub haben, wird Ihre Neurologin bzw. Ihr Neurologe möglichst schnell eine Behandlung einleiten. Dies wird gegebenenfalls mit hochdosiertem Kortison erfolgen. Diese schnelle Therapie wird auch als Stoß- oder Pulstherapie bezeichnet. Sie kann rasch die Entzündungsaktivität im ZNS eindämmen und damit die Schub-Symptome zurückdrängen. Sollte die Wirkung ausbleiben, kann ein akuter Schub auch mit einer Blutwäsche (Plasmapherese) behandelt werden.1 Alle Verlaufsformen der MS werden zusätzlich mit einer verlaufsmodifizierenden MS-Therapie behandelt.2
Erstmaliges Auftreten der MS: klinisch isoliertes Syndrom
Das erstmalige Auftreten eines für die MS typischen Symptoms wie z. B. Sehstörungen wird als „klinisch isoliertes Syndrom oder kurz KIS“ bezeichnet. Dabei halten die Beschwerden länger als 24 Stunden an. Ein KIS kann, muss aber nicht in eine der beschriebenen Formen der MS übergehen. Für die Diagnose einer MS müssen weitere Kriterien erfüllt sein, die anhand verschiedener Untersuchungen festgelegt werden. 2
Schubförmig remittierende MS (RRMS)
Für etwa 90 Prozent der Patient:innen beginnt die MS-Erkrankung mit einzelnen, deutlichvoneinander abgrenzbaren Schüben.3 Bei dieser Form der MS können sich die schubbedingten Symptome vollständig oder teilweise zurückbilden – d. h., sie remittieren.
Sekundär progrediente MS (SPMS)
Nach 10 bis 15 Jahren kann bei etwa 30 bis 40 Prozent der Patient:innen die RRMS in die sekundär progrediente Form übergehen.3 Das bedeutet, dass die Beschwerden kontinuierlich zunehmen (= progredient) und einzelne Schübe seltener werden.
Primär progrediente MS (PPMS)
Diese Verlaufsform der MS ist selten und betrifft ca. 10 Prozent der MS-Patient:innen.5 Bei diesen Menschen verschlimmern sich die Symptome bereits von Beginn der Erkrankung an kontinuierlich (primär). Einzelne Schübe sind meist nicht erkennbar und bleibende Beeinträchtigungen nehmen stetig zu. Menschen, die an der primär progredienten MS erkranken, sind im Durchschnitt zwischen 35 und 39 Jahren alt.6
Es gibt keinen typischen Verlauf der Multiplen Sklerose
Wie genau der Verlauf der MS aussieht, lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. Bei jedem ist dies ein wenig anders: Symptome, Schweregrad oder Dauer der Schübe, Zeitabstände zwischen den Schüben, Beeinträchtigungen, die eventuell zurückbleiben. So gibt es Menschen, die nach der MS-Diagnose manchmal über mehrere Jahre keine nennenswerten Beschwerden oder Behinderungen haben. Diese Form der MS wird gelegentlich auch als „gutartige MS“ bezeichnet.7
Die Erfahrung hat gezeigt, dass es ein paar Faktoren gibt, die auf einen eher günstigen Verlauf der MS hinweisen können:1
- Erste Symptome zeigen sich bereits in jungen Jahren (unter 40 Jahre).
- Diese sind entweder eine Entzündung des Sehnervs (Optikusneuritis) oder Sensibilitätsstörungen.
- Die MS hat eine schubförmige Verlaufsform.
- geringe Schubrate
- komplette Rückbildung der schubbedingten Symptome
- weibliches Geschlecht

Behandlung der MS
Es gibt im Wesentlichen drei Behandlungsansätze, die für alle Verlaufsformen der MS gelten:2
- Behandlung eines akuten Schubes
- verlaufsmodifizierende Therapie
- Behandlung der Symptome
Diese drei Therapieformen werden je nach individueller Situation der Patient:innen einzeln oder in Kombination eingesetzt.5
Behandlung eines akuten Schubes
Einzelne Schübe werden mit einer Stoßtherapie (Kortison) behandelt.1 Dadurch, dass sich die Symptome nach einem Schub häufig teilweise oder vollständig zurückbilden, fühlen sich viele MS-Patient:innen zwischen den Schüben so gesund wie vor der Krankheit. Dies ist jedoch ein trügerischer Zustand, weil die Entzündungsprozesse zum Teil auch in Phasen ohne Schub nicht zur Ruhe kommen. Das bedeutet: Auch zwischen den akuten Schüben können laufend neue Entzündungen, narbige MS-Herde und Nervenschäden entstehen.

Verlaufsmodifizierende Therapie
Um das unterschwellig laufende Entzündungsgeschehen im Zentralnervensystem zu verringern, werden verschiedene verlaufsmodifizierende Medikamente eingesetzt. Welche der verlaufsmodifizierenden Therapien für Sie infrage kommt, wird Ihre Neurologin bzw. Ihr Neurologe mit Ihnen besprechen.
Behandlung der Symptome
Symptome wie beispielsweise Blasenstörungen, Spastik, Schmerzen o. a., werden mit unterschiedlichen Therapieansätzen behandelt. Neben verschiedenen Medikamenten stehen hier Physio- und Ergotherapie, Logopädie oder die Neuropsychologie im Vordergrund.1

„Wer siebenmal hinfällt, sollte achtmal wieder aufstehen.“
(Chinesisches Sprichwort)
Häufige Fragen
Was ist eine benigne und was ist eine maligne MS?7,8
Diese Begrifflichkeiten sollten nicht verwendet werden, weil sie in ihrer Aussagekraft nicht präzise genug sind und zu Missverständnissen führen können. Mit einer „benignen und damit gutartigen MS“ ist meist eine Form der MS gemeint, die über viele Jahre ohne oder nur mit milden Symptomen einhergeht. Mit einem malignen, d. h. bösartigen, Verlauf wird manchmal das schnelle Fortschreiten der MS-Krankheit und die Zunahme der Behinderungen und Folgeerkrankungen gemeint.
Stirbt man an MS?
Nein! Die MS ist keine tödliche Erkrankung. Die Lebenserwartung bei Menschen mit MS ist ähnlich hoch wie die bei gesunden Menschen.9

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Disclaimer
Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.
Quellen:
- https://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/patienteninformationen/ueber-ms/verlaufsformen/
- S2k-Leitlinie Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis Optica Spektrum und MOG-IgG-assoziierte Erkrankungen, AWMF-Register-Nr. 030-050, Konsultationsfassung, 08/2020
- https://www.netdoktor.de/krankheiten/multiple-sklerose/verlauf/
- Besser R., Krämer G.: Multiple Sklerose: Antworten auf die 111 wichtigsten Fragen. Trias. 2006
- Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V. https://www.dmsg.de/multiple-sklerose-infos/was-ist-ms/#c907
- John Hopkins Medicine https://www.hopkinsmedicine.org/health/conditions-and-diseases/multiple-sclerosis-ms/primary-progressive-multiple-sclerosis
- Chung K et al.: Does ‚benign‘ multiple sclerosis exist? A 30-year follow-up study of people presenting with clinically isolated syndrome. ECTRIMS-ACTRIMS Meeting, Paris, 2017
- Lublin, F. D.; Reingold, S. C. (1996). „Defining the clinical course of multiple sclerosis: Results of an international survey“. Neurology. 46 (4): 907–11
- https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/neurologische-erkrankungen/die-wichtigsten-fragen-zu-multipler-sklerose-719445.html