MEIN ALLTAG MIT MS
Tipps für den Umgang mit MS im privaten Umfeld
MS trifft alle: Der Umgang zwischen Betroffenen und Angehörigen
Der Titel sagt es schon: Hier geht es nicht nur um Sie als Menschen mit MS, sondern auch um Ihre Angehörigen, um Ihre Familie, Ehe- oder Lebenspartner:innen. Was verändert MS in Beziehungen, in Partnerschaften und in der Familie? Es geht um den Umgang zwischen MS-Patient:innen und ihren Liebsten im engeren Umfeld. Um ihre Bedürfnisse und die Art, wie diese formuliert werden. Der wichtigste Punkt für beide Seiten: Reden Sie darüber! Nicht ständig, aber im richtigen Moment und mit der richtigen Haltung, nämlich fair und respektvoll.1
Jetzt müssen beide Seiten einiges aushalten, der Mensch mit MS und sein direktes Umfeld. Ob die MS-Diagnose frisch ist oder schon einige Zeit besteht: sie geht nicht mehr weg. Die Aufgaben, die jeder in diesem Gefüge übernimmt, werden neu definiert und Gesprächsbedarf entsteht.
Erinnern Sie sich immer wieder daran, dass nicht alles, was in Beziehungen passiert oder nicht passiert, mit MS zu tun hat, sondern sich vieles auch ohne die Diagnose in Ihrem Leben ereignet hätte.
Ängsten und Hoffnungen Raum geben
Da drängen sich viele Bilder auf: dünnes Eis, Eiertanz, Drahtseilakt, Spagat, Fettnäpfchen, Mantel des Schweigens – die Reihe ist lang, wenn es um die schwierigen Themen geht und plötzlich ist vieles kompliziert, was vorher richtig Spaß gemacht hat, zum Beispiel Sexualität oder Reiseplanung.
Was im Lauf der Krankheit auf die Betroffenen und ihre Angehörigen zukommt, und wann, weiß niemand und das macht Angst. Ängste und Hoffnungen – beides braucht Raum in der Kommunikation, aber zu gerne schweigen wir darüber.2
Pauschale Tipps helfen nicht immer weiter, zu unterschiedlich sind die Ausprägungen der Persönlichkeit und die Gestaltung der Beziehung.
Erwartungen bei MS in Beziehungen, Partnerschaften und Familie
Angehörige sind nicht automatisch die Pfleger:innen, Betroffene nicht automatisch hilfsbedürftig. Darüber müssen wir reden. Wenn es trotz mehrfacher Anläufe nicht klappt, sollten Sie Hilfe suchen. Paartherapeut:innen, Beziehungscoaches, Mediator:innen unterstützen hier in Einzelgesprächen oder Paar-Sitzungen, einmaligen Terminen oder begleitend über längere Zeit.2
Gesprächen Raum geben
Nonverbale Kommunikation, versteckte oder nicht ausgesprochene Botschaften haben eine starke Wirkung auf Beziehungen – der Elefant im Raum, das Thema, das sich aufdrängt, aber keiner anspricht. Missverständnisse und Kränkungen sind leider nicht selten.3
Es gibt Gespräche, die mehr Raum und Zeit brauchen sowie den passenden Augenblick.
Es gibt Gespräche, die mehr Raum und Zeit brauchen sowie den passenden Augenblick.
Ein paar Beispiele:
- Gespräche zwischen Partner:innen über sexuelle Probleme durch die Krankheit, die die Beziehung belasten.
- Gespräche mit Eltern, die alt werden und, selbst wenn sie wollten, nicht mehr unterstützen können, weil ihnen die Kraft ausgeht.
- Gespräche mit Kindern, die Veränderungen verstehen wollen, die Ängste entwickeln, die im Gefühlschaos stecken, wenn sie heranwachsen.
Die Phasen der Betroffenheit bei MS
Die Situation verändert sich in jeder Phase der Krankheit und des Lebens. Ist die Diagnose MS noch frisch, schwanken sowohl Betroffene als auch Angehörige zwischen Angst, Sorge, Nicht-wahrhaben-wollen.
Je länger Sie als Angehörige:r mit der Krankheit Multiple Sklerose umgehen, desto mehr wissen Sie darüber und desto mehr zieht MS in Ihren Alltag ein.
Suchen Sie Kontakt zu anderen Betroffenen. Selbsthilfegruppen gibt es nicht nur für Menschen mit MS, sondern auch für deren Angehörige. Austausch entlastet beide Seiten.4
Stressfaktoren im Umgang mit MS-Patient:Innen
Es gibt in belastenden Situationen, wie einer chronischen Krankheit, typische Stressfaktoren für das Umfeld, die sich auf Gemüt und Körper auswirken.2
Viele empfinden diese Faktoren als stressend:
- Zeitdruck und Zeitmanagement
- Beruf und Pflege vereinen
- Angst vor den Folgen der Diagnose
- Sorge um den geliebten Menschen
- Unerwünschte Veränderungen
- Konflikt mit den eigenen Interessen und Zielen
- Verlust der Unbeschwertheit
- Einsamkeit, Hilflosigkeit
- Erschöpfung – körperlich und seelisch
- Schuldgefühle
- Pflichtgefühl
Angehörige: Tipps für den Umgang mit MS-Betroffenen1,2,3,4
Go
- Erinnern Sie sich immer wieder daran, dass Streit, Missverständnisse, Konflikte nicht immer mit der Krankheit zusammenhängen, manche Themen tauchen in allen Partnerschaften und Familien auf.
- Lassen Sie Probleme nicht zum Gift in der Beziehung werden. Widersprüchliche Kommunikation kann toxisch sein.
- Formulieren Sie Erwartungen, Enttäuschungen, Hoffnungen.
- Sprechen Sie über Ihre Aufgaben und Rollen. Organisieren Sie sich.
- Schaffen Sie Raum und Gelegenheit für Gespräche.
- Sprechen Sie es an, wenn Sie den Eindruck haben, Ihre Bedürfnisse und Emotionen müssten immer hinter denen des MS-Betroffenen zurückstehen.
- Schätzen Sie es wert, dass sich Ihr Partner, Ihre Partnerin Ihnen öffnet, dass Sie an Arztgesprächen teilnehmen dürfen.
- Die Intim- und Privatsphären verschieben sich durch chronische Krankheiten, gehen Sie respektvoll damit um.
- Unterstützen Sie MS-Betroffene darin, eigene Aktivitäten zu unternehmen und Freundschaften zu pflegen.
- Pflegearbeit und Gefühlsarbeit sind richtig anstrengend, Arbeit eben – gönnen Sie sich Pausen.
No Go
- „Das habe ich dir doch schon oft gesagt“ – vermeiden Sie Formulierungen, die das Gegenüber an seine Defizite erinnern, das ist aggressiv und drängt in die Defensive.
- Pseudohumor ist verletzend und fehl am Platz.
- “Du kannst mich jederzeit anrufen, ich bin immer für dich da”, “You’ll never walk alone” – sagen Sie nur, was Sie wirklich meinen. Falsche Erwartungen zu wecken und zu enttäuschen schmerzt.
- Geben Sie nicht vor, alles zu verstehen. Sie stecken nicht in der Haut des MS-Betroffenen.
- Betonen Sie nicht, was Sie alles tun! Erzeugen Sie eine Normalität. Nicht sagen, ich schiebe jetzt den Rollstuhl, sondern einfach machen.
- Hinschmeißen? Aufgeben? Nein: Unterstützung holen! Suchen Sie sich MS-Hilfe für Angehörige.
- Tuscheln geht gar nicht. Für Kolleg:innen gilt: Sprechen Sie den von MS betroffenen Kollegen oder die Kollegin an, aber erzwingen Sie keine Auskünfte, warum er oder sie öfter fehlt oder vielleicht nicht immer gleich leistungsstark ist. Respektieren Sie die gesetzlichen Vorgaben am Arbeitsplatz.
- Empathie, Achtsamkeit – überstrapazieren Sie diese schönen Begriffe nicht. Sonst werden Sie zu leeren Phrasen.
MS-Betroffene: Tipps für den Umgang mit Angehörigen
Auch für Sie als Menschen mit MS ist der Umgang mit Ihren Angehörigen vermutlich nicht immer einfach. Als erkrankte Person haben Sie aber nicht unbedingt eine schwierigere Position. Denn: Nur Sie wissen, wie es ist MS zu haben, nur Sie stecken in dieser Haut. So ist es an beiden Seiten, den Prozess eines gelungenen Umgangs miteinander zu gestalten.2,3
Das können Sie als MS-Patient:in dazu beitragen:
- Fairness gilt für beide Seiten.
- Enge erwachsene Angehörige, die Sie hauptsächlich betreuen, sollten Sie umfangreich informieren und einbeziehen, im entfernteren Umfeld entscheiden Sie individuell, wie viel Sie preisgeben.
- „Ich will keine Last sein“ – machen Sie sich frei von Schuldgefühlen. MS ist nicht entstanden, weil Sie etwas falsch gemacht haben.
- Krankheit ist kein Freibrief für schlechte Laune. Suchen Sie sich Beschäftigungen, die Ihnen guttun.
- Stellen Sie an Ihr Umfeld nicht dieselben Erwartungen wie an Profis in der Pflege oder Kommunikation. Lernen Sie miteinander und lassen Sie Fehler zu. Bilden Sie ein Team.
- Erklären Sie Ihrem Umfeld, dass Sie sich gerne verabreden, aber warum Sie manchmal kurzfristig absagen müssen, wenn die Krankheit einen Strich durch die Planung macht.
Next to love, balance is the most important thing.
John Wooden
Warnsignale im Umgang mit MS-Betroffenen beachten
Es läuft etwas schief, wenn der Angehörige selbst krank wird. Nehmen Sie Warnsignale ernst und steuern Sie entgegen, wenn folgende Symptome bei Ihnen auftreten: Schlafstörungen, Anspannung, Rückenschmerzen, Appetitlosigkeit, Stressessen, körperliche Erschöpfung, Herzstechen, Magenschmerzen, Tinnitus, Unkonzentriertheit.2
Überlegen Sie gemeinsam, was Sie delegieren können, zum Beispiel Fahrdienste, den Hausputz, Gartenarbeit. In manchen Fällen übernehmen Krankenkassen die Kosten oder geben einen Zuschuss. Das bedeutet allerdings auch, dass Fremde Zugang zu Ihrem Zuhause haben, das müssen Sie akzeptieren. Aber der Gewinn an Entlastung sollte überwiegen.
Hier finden Angehörige MS-Hilfe
- Selbsthilfegruppen, regional und bundesweit
- DMSG, Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft
- https://www.msconnect.de/ Netzwerk
- Verhinderungspflege: Informationen bei Ihrer Krankenversicherung
- Seriöse Podcasts zu MS oder Beziehungsthemen
Weitere spannende Themen entdecken
Disclaimer
Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.
Quellen:
1. https://www.soft-skills.com/gewaltfreie-kommunikation/
2. https://www.palverlag.de/angehoerige-hilfe.html
3. https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-kommunikationsquadrat
4. https://www.dmsg.de
Internetquellen zuletzt besucht am 30.01.2023