MEIN ALLTAG MIT MS
Wie man besser aufhört: Risikofaktor Rauchen bei MS
Dass Rauchen ein besonderer Risikofaktor ist, wissen MS-Betroffene genauso wie Krebspatient:innen oder Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und anderen schweren chronischen Erkrankungen. Jetzt ist es eh egal, könnte man nach der Diagnose denken. Von wegen. Auch auf den Verlauf der MS hat Nikotin einen entscheidenden Einfluss. Also nicht über Fehler der Vergangenheit jammern, sondern das Beste aus der Zukunft machen. Klingt wie so viele gute Ratschläge banal und einfach. Gewohnheits-Rauchen ist eine Sucht und von dieser wegzukommen und langfristig fern zu bleiben ist enorm schwierig.
Manche schaffen es mit dem Rauchen aufzuhören nach einer heftigen Grippe, in der sie sowieso nicht rauchen konnten oder – viel besser – wegen einer neuen Liebe. Einige schwören auf Nikotinpflaster, andere auf Akupunktur oder Hypnose – die Liste der Rauchstopp-Tipps ist lang, der Weg mit dem Rauchen aufzuhören nicht leicht, aber die positiven Effekte sind enorm.
Wie gefährlich ist Rauchen bei MS? Auswirkungen von Tabak bei MS
Vielen hilft es, in einer speziellen Situation wie Multiple Sklerose, die Zusammenhänge und Wirkmechanismen zu verstehen, um daraus Motivation zu gewinnen und mit dem Rauchen aufzuhören. Tabak hat eine enorm gefährliche Wirkung bei MS, sowohl bei der Entstehung als auch auf den Verlauf. Kurz gesagt: Nikotin fördert Entzündungen.1
Mit diesen Mechanismen wirkt Tabakkonsum:2
- Nikotin hat einen proentzündlichen Effekt
- Rauchen kann die proinflammatorischen B-Zellen vermehren
- Nach einem Rauchstopp normalisieren sich fast alle diese Effekte auf das Immunsystem wieder
Rauchen ist toxisch, das Gift heißt Acrolein. Dieser Bestandteil des Qualms richtet heftige Schäden in den Körperzellen an. Seine negativen Wirkungen bestehen unter anderem in DNA- und Proteinveränderungen, Membranschäden, oxidativem Stress, mitochondrialen Störungen, Stress des endoplasmatischen Retikulums und Immunstörungen.2
Leider nehmen wir Acrolein auch aus der Umwelt auf, aus Verschmutzungen von Wasser oder Nahrungsmitteln oder aus der verschmutzten Luft, aber die Wirkung aus Zigaretten ist wesentlich direkter und stärker.
„ES IST NICHT WICHTIG, WIE GROSS DER ERSTE SCHRITT IST, SONDERN IN WELCHE RICHTUNG ER GEHT.“
unbekannt
Kann MS vom Rauchen kommen? Wissenschaftliche Erkentnisse
Wir kennen immer noch nicht die Ursache, warum jemand an Multipler Sklerose erkrankt, aber wir wissen, dass sowohl genetische als auch umweltbezogene Risikofaktoren Entstehung und Verlauf von MS beeinflussen, das zeigen Statistiken und Datenanalysen aus der Multiple-Sklerose-Forschung.3,4 Einer dieser Umweltfaktoren ist das Rauchen. Das Risiko an MS zu erkranken ist für Raucher:innen gegenüber Nichtraucher:innen fast verdoppelt.5 Und selbst nach der Diagnose rauchen noch knapp 20 Prozent der MS-Betroffenen.6
Wegen dieser toxischen Verbindung von Rauchen und MS ist die Frage nach dem Rauchen so wichtig im Anamnese-Gespräch und im weiteren Verlauf der Behandlung. Gegebenenfalls wäre das Angebot einer Therapie zur Rauch-Entwöhnung oder Hilfestellungen aus der Arztpraxis wünschenswert.
Wie kann sich ein Rauchstopp auf die MS-Symptome auswirken? Das sind die Vorteile
Hinterher ist man immer schlauer – klar! Aber selbst im Lauf der Erkrankung, eigentlich in jedem Stadium von MS, bringt ein Rauchstopp definitiv Vorteile. Und das selbst nach langjährigem Kettenrauchen.
Das britische MS-Register erhebt seit 2011 umfangreiche Daten zur Multiplen Sklerose, indem MS-Patient:innen regelmäßig zu Motorik, Stimmung und Behandlungsstatus befragt werden. Eine Auswertung schaute sich an, wie sich der Erkrankungsverlauf von Ex-Raucher:innen, Nie-Raucher:innen und Raucher:innen unter den MS-Patient:innen unterscheidet.
Raucher:innen zeigten deutliche Verschlechterungen in den motorischen Funktionen gegenüber Nichtraucher:innen, damit nimmt die körperliche Behinderung rascher zu, ebenso treten häufiger Ängste auf. Doch das lässt sich aufhalten. Unser Körper kann sich erholen. Ein Rauchstopp bewirkt, dass sich die Progression der motorischen Behinderung verlangsamt. Der MS-Verlauf von Ex-Raucher:innen gleicht sich dem von Nichtraucher:innen an.3,4,6
Rauchfrei – Effekte und Vorteile
So wirkt sich ein Rauchstopp auf MS-Symptome aus:4,6,7
So wirkt sich ein Rauchstopp auf MS-Symptome aus:4,6,7
- Die MS kann weniger Aktivität zeigen
- Ein zweiter Schub kann später auftreten
- Geringere Läsionen in Gehirn und Rückenmark
- Rauchentwöhnung verlangsamt die Progression motorischer Behinderung
- Die Gehfähigkeit bleibt länger erhalten
- Ängste treten seltener auf
- Das Risiko für Fatigue verringert sich
- Der Körper erholt sich – mit der Zeit gleicht er sich dem eines Nichtrauchers an
- Alltagsbewegungen fallen leichter, da sich Kreislauf und Lungenfunktion
- stabilisieren
Tipps: Wie kann ich mit dem Rauchen aufhören?
Gefühlt gibt es immer mehr Raucher-Kneipen und wieder mehr Menschen, die in der Öffentlichkeit rauchen. Andererseits steigt das Bewusstsein, wie wichtig ein gesunder Lebensstil für Körper und Seele ist. Jede Form von Sucht schränkt die Lebensqualität und Gesundheit ein.
Nur die wenigsten Raucher schaffen es beim ersten Versuch, dauerhaft mit dem Rauchen aufzuhören. Selbst mit großer Motivation und Willensstärke ist das Verhaltensmuster schwer zu durchbrechen, denn es basiert auf Gewohnheit und Belohnung. Es ist verknüpft mit der Tasse Kaffee, mit der Pause auf der Terrasse, mit Geselligkeit in der Raucherecke. Die Zigarette markiert den Abschluss eines Arbeitsschrittes, der belohnt wird und so weiter.
Medikamentöse vs. nicht medikamentöse Massnahmen, um mit dem Rauchen aufzuhören
Viele aufhörwillige Raucher versuchen verschiedene Wege, bis der Rauchstopp erfolgreich ist. Es gibt medikamentöse und nicht medikamentöse Maßnahmen, die eingesetzt werden können.
Wenn Sie ärztliche Unterstützung bei der Rauchentwöhnung wünschen, fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin nach Medikamenten, die Sie dabei unterstützen und die Entzugserscheinungen lindern können. Klären Sie, ob diese für Sie in Frage kommen und zu Ihren sonstigen Medikamenten der MS-Therapie passen. Diese Produkte sind rezeptpflichtig und müssen selbst bezahlt werden. Lassen Sie sich über mögliche Nebenwirkungen wie beispielsweise Schlafstörungen und Übelkeit aufklären.6
Mit dem Rauchen aufzuhören bedeutet, sowohl die körperliche als auch die psychische Abhängigkeit zu durchbrechen.
Nikotinersatztherapien können das Verlangen nach Nikotin abmildern. Die Palette der Ersatzprodukte ist breit und umfasst unter anderem Nikotinpflaster, Nikotinspray, Nikotinkaugummi und Nikotinlutschtabletten. Doch letztendlich beinhalten diese alle Nikotin.
Was lindert das Rauchverlangen?
Deshalb kann es wichtig sein, sich selbst zu überlisten. Die
Belohnungserwartung, die früher durch eine Zigarette befriedigt wurde, mit etwas anderem zu füllen und neue Gewohnheiten zu schaffen. Wer die Auslöser für das Verlangen nach Nikotin identifiziert, der kann verlockende Situationen umschiffen.
- 1. Der Geruchssinn wird wieder schärfer:
Die Aschenbecher sind weggeräumt, der Geruchs- und Geschmackssinn erholt sich schon am dritten Tag nach dem Rauchstopp. Experimentieren Sie mit Düften im Haus und im Garten oder am Fensterbrett: Duftstäbchen oder Salbei und Lavendel schmeicheln der Nase.
- 2. Mit Lust kochen:
Gewürze gehören ebenso dazu, probieren Sie neue Rezepte und Gewürzkompositionen.
Viele weichen auf Süßigkeiten aus – eine gefährliche Belohnung, die man schnell auf der Waage und den Hüften sieht. Gut, dass jetzt ohne Raucherhusten Sport wieder leichter fällt. Beachten Sie bei neuem Kochvergnügen, dass Ihre Verdauung ohne Zigaretten anders funktioniert. Bringen Sie den Darm raffiniert in Schwung.
- 3. Bewegung und Anstrengung fällt leichter:
Ob Tanzen oder Radfahren – Bewegung macht wieder mehr Spaß und mit anderen gemeinsam oft umso mehr.
- 4. Weiße Zähne, kein Raucheratem:
Genießen Sie den frischeren Atem von Anfang an und vereinbaren Sie einen Termin zur Zahnreinigung – die diesmal einen längeren Effekt hat, da kein brauner Nikotinbelag ihn trübt.
- 5. Aggressionsball und Kaugummi:
Und wenn gar nichts mehr geht: Drücken Sie den Gummiball so fest es geht und kauen Sie auf dem Kaugummi herum. Es hilft!
- 6. Das Umfeld:
Meiden Sie anfangs andere Raucher:innen. Am leichtesten fällt die Rauchentwöhnung mit anderen Gleichgesinnten, ein bisschen soziale Kontrolle ist auch Ansporn. Planen Sie Aktivitäten, die Sie gar nicht erst an den Nikotinentzug denken lassen.
Wie lange dauert der Entzug beim Rauchen?
Schon nach wenigen Stunden ohne Nikotin zeigt sich die Abhängigkeit, die Betroffenen werden gereizt, nervös und oft aggressiv, dazu kommt Heißhunger. Doch sofort nach dem letzten Zug setzt der Regenerationsprozess des Körpers ein.
Allerdings gelten die ersten 72 Stunden nach dem Rauchstopp als die schwierigsten: Dann ist nämlich noch Rest-Nikotin im Körper, die genannten Entzugserscheinungen zeigen sich. Ab Tag 4 wird es einfacher. Den Tag des Rauchstopps dürfen Sie im Kalender markieren! Nach einem Jahr gelten Sie als entwöhnt.
Weitere Hilfsmittel zur Rauchentwöhnung: Ratgeber-Bücher, Info-Portale, Apps & Co
Neben den wertvollen Tipps anderer Ex-Raucher finden Sie hier Anregungen, wie es gelingen kann, mit dem Rauchen aufzuhören.
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
unter rauchfrei-info.de. Hier gibt es Informationen rund um die Rauchentwöhnung.
Fragen Sie bei Ihrer Krankenkasse nach Rauchfrei-Programmen – ob in Kursen vor Ort, als App, als Telefon-Coaching oder Online. Vieles finden Sie auf deren Info-Portalen.
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Disclaimer
Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.
Quellen:
1 Piaggeschi G, Rolla S, Rossi N, Brusa D, Naccarati A, Couvreur S, Spector TD, Roederer M, Mangino M, Cordero F, Falchi M, Visconti A. Immune Trait Shifts in Association With Tobacco Smoking: A Study in Healthy Women. Front Immunol. 2021 Mar 9;12:637974. doi: 10.3389/fimmu.2021.637974. PMID: 33767708; PMCID: PMC7985448.
2 Moghe A, Ghare S, Lamoreau B, Mohammad M, Barve S, McClain C, Joshi-Barve S. Molecular mechanisms of acrolein toxicity: relevance to human disease. Toxicol Sci. 2015 Feb;143(2):242-55. doi: 10.1093/toxsci/kfu233. PMID: 25628402; PMCID: PMC4306719.
3 Smets, I. Improving MS outcomes: The smoke in our eyes! The MS-Blog https://multiple-sclerosis-research. org/2022/01/improving-ms-outcomes-the-smoke-in-our-eyes/ (2022).
4 Rodgers, J. et al. The impact of smoking cessation on multiple sclerosis disease progression. Brain awab385 (2021) doi:10.1093/brain/awab385.
5 AMSEL – Das Multiple Sklerose Portal. https://www.amsel.de/amsel-ev/presse/pressemeldungen/rauchen-beimultipler-sklerose/
6 Esanum https://www.esanum.de/blogs/neurologie-blog/feeds/today/posts/was-ein-rauchstopp-bei-multiplersklerose-bewirken-kann
7 Manouchehrinia A, (7)Tench CR, Maxted J, Bibani RH, Britton J, Constantinescu CS. Tobacco smoking and disability progression in multiple sclerosis: United Kingdom cohort study. Brain. 2013 Jul;136(Pt 7):2298-304. doi: 10.1093/brain/awt139. Epub 2013 Jun 11. PMID: 23757766; PMCID: PMC3692034. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.
gov/23757766/
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