MEIN ALLTAG MIT MS
Wohnen mit MS – Tipps und Tricks
Eine bezahlbare Wohnung in attraktiver Umgebung finden, allein das ist schon eine Herausforderung. Wenn die Wohnung dann auch noch barrierefrei sein soll, wird es umso schwieriger. Mancher MS-Verlauf bringt Gang- und Sehstörungen mit sich, in einigen Fällen kann ein Rollstuhl notwendig werden. Dann sind zum Teil auch größere Anpassungen in der Wohnung erforderlich. Meist bedeutet das, mehr als nur ein paar Stolperfallen zu beseitigen. Mit den folgenden Tipps und finanzieller Unterstützung lässt sich der vorhandene Wohnraum barrierefrei umgestalten. Menschen mit MS, die sich ein neues Zuhause suchen müssen bzw. wollen oder neu bauen, können spezielle Angebote und Fördermittel nutzen, um das Wohnen mit MS bestmöglich zu gestalten und so langfristig ihre Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten.
Selbstbestimmt und unabhängig – Vorteile von barrierefreiem Wohnen bei MS
Mein Zuhause – das bedeutet Rückzugsort, Wohlfühlen, Individualität, Leben. Das soll möglichst lange so bleiben, auch mit einer MS-Diagnose. Die Wohnung ist Basis für ein eigenständiges Leben. Wer über viele Jahre in derselben Wohnung lebt, weiß jedoch auch, dass sich der Wohnraum immer wieder verändern und an die Lebensphasen anpassen muss: Leben als Alleinstehende:r, mit Partner:in, mit kleinen Kindern, mit großen Kindern, mit Hund und Katze, mit Homeoffice…
Auch eine MS-Erkrankung kann Anpassungen der Wohnumgebung erfordern. Barrierefreiheit wird zu einem Muss und bietet doch einige Vorteile. So ist der wahrscheinlich größte Vorteil von barrierefreiem Wohnen die Perspektive, möglichst lange die vertrauten vier Wände nutzen zu können – und zwar uneingeschränkt. Das kann bedeuten, dass Sie auf spezielle Situationen im Verlauf der Multiplen Sklerose vorbereitet sind, aber genauso auf die Probleme, die ein fortgeschrittenes Alter mit sich bringen kann. Diese Barrierefreiheit ermöglicht nicht nur Ihnen mehr Bewegungsfreiheit, es erleichtert auch Pflegenden, die nötigen Handgriffe auszuführen.
Ob im eigenen Haus, in einer Mietwohnung oder einer Wohngruppe speziell für MS-Betroffene, die Wohnformen sind vielfältig und jede hat ihre eigenen charakteristischen Vor- und Nachteile. Bevor Sie sich für eine einschneidende Veränderung Ihrer Wohnsituation entscheiden, gibt es möglicherweise einiges zu bedenken.
Dieser Fragenkatalog kann Ihnen bei diesem Entscheidungsprozess helfen. Finden Sie heraus, was Ihnen beim Thema Wohnen wichtig ist.
„AN JEDEM EINZELNEN LIEGT ES, OB AUS EINEM HAUS EIN ZUHAUSE WIRD.“
unbekannt
CHECKLISTE: WIE WILL ICH WOHNEN?
- Lebe ich alleine oder mit Partner:in und Kindern?
- Habe ich oft Besuch?
- Suche ich aktiv den Kontakt zu Nachbarn und Mitbewohner:innen?
- Wie groß soll meine Wohnung sein?
- Soll eine Pfl egekraft bei mir wohnen (können)?
- Wie hoch ist mein Budget?
- Will ich mieten oder kaufen?
- Erhalte ich Zuschüsse zu Miete oder Umbau?
- Viel Platz – bedeutet das für mich Freiraum oder Belastung, beispielsweise durch zeitintensives Putzen?
- Stadt oder Land?
- Ruhige Lage oder mittendrin?
- Habe ich Energie und Nerven, um einen Umbau zu stemmen?
- Erreichbarkeit: Brauche ich ein Auto? Sind alle wichtigen Anlaufstelle (Ärztinnen/Ärzte, Physiotherapie, Einkaufsmöglichkeiten, Cafés) mit Bus und Bahn gut erreichbar?
Mieten, kaufen, umbauen: Wie sieht barrierefreies Wohnen aus?
In Deutschland gibt es für barrierefreies Wohnen DIN-Vorschriften und genaue Planungsgrundlagen, für den privaten Wohnungsbau ist das die DIN 18040-2.¹
Im privaten Bereich gibt es zudem die Unterscheidung zwischen “barrierefrei nutzbaren Wohnungen” und “uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen”. Nur wenn bestimmte Vorgaben erfüllt sind, dürfen Vermieter:innen oder Makler:innen dieses Etikett für Wohnungen nutzen oder müssen es mit “teilweise” ergänzen.
Das Wohnen beginnt dabei schon vor der Haustüre – achten Sie also auch auf den Zugang: Wie gut ist die Wohnung und das Haus von außen erreichbar? Welche Hindernisse bestehen? Lassen die sich überwinden? Das gilt auch für Balkon, Terrasse oder Garten.
An diesen Kriterien können Sie sich ebenfalls dann gut orientieren, falls Sie einen Umbau der eigenen Wohnung oder Mietwohnung planen. Vermieter:innen müssen jeder dauerhaften baulichen Veränderung zustimmen.² In vielen Fällen lohnt es sich, mit Vermieter:in oder Hausverwaltung zu sprechen und Verbesserungen anzuregen, denn Barrierefreiheit wertet eine Wohnanlage immer auf.
CHECKLISTE: SO IST DIE WOHNUNG BARRIEREFREI!
In dieser Checkliste fi nden Sie die wichtigsten Kriterien für barrierefreies Wohnen, die Details sind in der DIN 18040-2 aufgelistet.¹
- Zugang: Der Gehweg muss mindestens 120 cm breit, schwellenlos, beleuchtet und markiert sein.
- Lassen sich Treppen überwinden? Rampe, Treppenlift, Fahrstuhl?
- Bietet der Wohnungszuschnitt ausreichend Bewegungsfreiheit, langfristig auch für Rollator oder Rollstuhl?
- Sind die Türen breit genug?
- Sind Fenstergriffe, Türgriffe und Jalousien leicht zu bedienen oder mit Fernbedienung ausgestattet?
- Gibt es vor den Türen einen Bewegungsraum und sind die Türen gut zu öffnen?
- Sind Bodenbeläge rutschsicher?
- Spiegeln oder blenden Fliesen oder Bodenbelag?
- Sind Haltegriffe in Bad und WC vorhanden oder können diese nachgerüstet werden?
- Sind Jalousien oder Klimaanlagen vorhanden, um Hitze zu vermeiden?
- Ist die Beleuchtung gut und leicht bedienbar?
- Sind Lichtschalter und Steckdosen gut erreichbar?
- Ist das WC gut benutzbar?
- Ist die Küche so eingerichtet, dass dort mit Rollstuhl gearbeitet werden kann?
- Gibt es einen Stellplatz für ein Auto oder eine Haltemöglichkeit vor dem Haus?
Übrigens: Auch Bewegungsfläche ist ein definierter Begriff, sie muss 120 cm x 120 cm sein, um sich dort auch mit einem Rollstuhl gut bewegen zu können.
TIPP
Schließen Sie einen Kauf- oder Mietvertrag für eine Wohnung ab, die als teilweise barrierefrei oder rollstuhlgerecht deklariert ist, sollten Sie in dem Vertrag genau festhalten, welche Punkte der DIN 18040-2 umgesetzt sind. So vermeiden Sie Unklarheiten und eventuelle Rechtsstreitigkeiten.
Tipps für den Wohn-Alltag mit Multipler Sklerose
Losgelöst und zusätzlich zu diesen Normen und Vorschriften können Sie selbst mit offenen Augen Stolperfallen, scharfe Kanten und Problemzonen entdecken und dann beseitigen. Dies immer auch unter Berücksichtigung Ihrer persönlichen Einschränkungen durch Ihre MS-Erkrankung. Sie kennen Ihre eigenen Bedürfnisse am besten.
- Lose liegende Kabel aus dem Weg räumen und sichern.
- Hochstehende Teppichkanten fixieren.
- Auch Möbel können zu Stolperfallen oder Hindernissen werden. Stellen Sie beispielsweise das Bett so, dass Sie bequem aufstehen und sich dabei abstützen können. Bei einem Neukauf können Sie eine höhere Variante wählen, das erleichtert das Aufstehen oder Umsetzen.
- Sitzhocker für die Dusche anschaffen.
- Höhenverstellbaren Waschtisch einbauen.
- Wege optimieren: Stellen Sie Schränke, Tische und Kommoden so, dass Sie problemlos daran vorbeikommen, besonders wenn diese scharfkantig sind.
- Smarthome-Ideen nutzen: Beispielsweise können schwer zugängliche Fenster mit einer Fernbedienung gesteuert werden oder sich automatisch je nach Sonneneinfall verschatten.
- Haltegriffe anbringen: Statt Löcher zu bohren und Schrauben zu drehen, bieten sich für Bad und an der Toilette Saughaltegriffe an, die einen sicheren Halt bieten. Hier lohnt sich der Blick in Testberichte.
- Die Dauer bei Bewegungsleuchten und Licht-Zeitschaltuhren verlängern.
TIPP
Manche Städte und Kommunen bieten individuelle Wohnberatung an, die weitere Unterstützung für das barrierefreie Wohnen bietet.³,⁴
Alternative Wohnformen: MS-Wohngruppen und betreutes Wohnen
Nicht jeder MS-Verlauf lässt das Wohnen alleine, ohne Pflege oder Betreuung zu. Aus dem Wunsch, weiterhin möglichst selbstständig, selbstbestimmt und unabhängig leben zu können, haben sich verschiedene Formen des barrierefreien Wohnens entwickelt. Denn Wohnen ist individuell, sowohl in den eigenen vier Wänden als auch in Wohnprojekten und Wohngruppen für MS-Betroffene.
Den Wohnprojekten ist gemeinsam, dass ihre Bewohner:innen die Sicherheit haben, dass sich in einem Notfall jemand um sie kümmert, dass sie nicht alleine sind.
Wer alleinstehend ist, aber nicht alleine leben will, kann sich als MSBetroffene: r beispielsweise einer MS-Wohngruppe anschließen. Gibt es in Ihrer Region keine, können Sie selbst eine gründen und Mitbewohner:innen suchen. Informationen dazu bieten verschiedene Online-Portale, beispielsweise wohnprojekte-portal.de, auch Selbsthilfe-Foren können hier zur Fundgrube werden.⁵
In ambulant betreuten Wohngemeinschaften leben mehrere Menschen mit Beeinträchtigung zusammen. In der Regel werden diese Wohngruppen von einem ambulanten Dienst betreut, je nach den speziellen Bedürfnissen der einzelnen Mitglieder.
Betreutes Wohnen hat sich für verschiedene Situationen, spezifische Bedürfnisse und Phasen einer Krankheit etabliert, auch für MS-Betroffene. Der Wohnraum – meist in einer größeren Wohnanlage – ist barrierefrei und für eventuelle Pflegesituationen vorbereitet. Bei Bedarf wird professionelle Pflege oder Assistenz bereitgestellt, das umfasst beispielsweise Einkaufen, Putzen oder Körperpflege.
Einen guten Überblick über unterschiedliche Wohnformen bietet die Broschüre der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG): Selbstbestimmt leben mit MS – 8 Wohnmodelle im Porträt. Die Beispiele aus guter Praxis dienen als Inspiration und Information.⁶
Pflegeheim oder Seniorenheim: Manche Senioren-Einrichtungen stellen Wohnbereiche für Menschen mit speziellen Bedürfnissen zur Verfügung, beispielsweise auch für MS-Betroffene. Der Vorteil dieser Wohnform liegt in der Sicherheit der Rundum-Betreuung, die die Infrastruktur des Hauses bietet: medizinische und pflegerische Versorgung, Geselligkeit, Barrierefreiheit, Verpflegung.
Inklusive Wohnprojekte: Der Inklusionsgedanke steht hinter vielen individuellen Wohnprojekten. Manche sind genossenschaftlich organisiert, manche von städtischen, sozialen oder kirchlichen Trägern. Wohnbörsen oder Plattformen bringen vielerorts Interessenten zusammen.⁷
Wer bezahlt das? Finanzierung und Zuschüsse für barrierefreies Wohnen
„Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen“ heißt der sperrige Begriff, der dafür steht, eine Wohnung so umzugestalten, dass häusliche Pflege in der Wohnung erleichtert oder überhaupt ermöglicht wird, ebenso um eine möglichst langwährende selbstständige Lebensführung zu erhalten. Türverbreiterungen oder fest installierte Rampen und Treppenlifte fallen unter diese Umbaumaßnahmen, genauso wie die barrierefreie Umgestaltung des Badezimmers mit barrierefrei begehbarer Dusche.
MS-Betroffene, die einen Pflegegrad zwischen 1 und 5 haben, können dafür von der Pflegekasse bis zu 4000 Euro Zuschuss erhalten, auch wenn mehrere Menschen mit MS zusammenwohnen.
Manche Kommunen, Regionen und Bundesländer unterstützen derartige Umbaumaßnahmen, manche Projekte sind allerdings zeitlich befristet und die finanzielle Unterstützung endet an einem bestimmten Stichtag.
„DIE ZEICHNUNG GIBT DEN DINGEN DIE GESTALT, DIE FARBE DAS LEBEN.“
Denis Diderot
Weitere Informationen und Links zum Thema „Wohnen mit MS“
- Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales: BMAS – Ratgeber für Menschen mit Behinderungen
- Wohnberatung für barrierefreies Wohnen: www.bi-daheim.de/wohnberatung themenwelt.handicapx.de/themenwelt/barrierefrei-bauen www.wohnprojekte-portal.de
- Plattform für Interessenten alternativer Wohnprojekte: www.wohnprojekte-vz.de
- Finanzierung: Altersgerecht Umbauen – Kredit (159) | KfW
- Beispiel einer Wohngruppe: www.ev-heimstiftung.de
Weitere spannende Themen entdecken
Disclaimer
Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.
Quellen:
1 https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nabau/veroeffentlichungen/wdc-beuth:din21:142706210
2 BMAS – Ratgeber für Menschen mit Behinderungen https://www.bmas.de/DE/Service/Publikationen/ Broschueren/a712-ratgeber-fuer-menschen-mit-behinderungen.html
3 https://frankfurt.de/themen/soziales-und-gesellschaft/rund-ums-aelterwerden/wohnberatung/barrierefreiewohnraumanpassung
4 https://www.bundesgesundheitsministerium.de/leistungen-der-pfl ege/wohnumfeldverbessernde-massnahmen. html
5 Wohnprojekte Portal https://www.wohnprojekte-portal.de/home/
6 Selbstbestimmt leben mit MS: Der Bundesbeirat MS-Erkrankter stellt acht Wohnmodelle vor: https://www.dmsg. de/service/shop
7 Netzwerk Frankfurt für Gemeinschaftliches Wohnen e. V. https://www.gemeinschaftliches-wohnen.de/
Internetquellen zuletzt besucht am 29.08.2023