MEIN ALLTAG MIT MS
Tipps für das Arztgespräch bei Multipler Sklerose
„Wie geht es Ihnen?“ Fragt das Ihr Neurologe oder Ihre Neurologin, so ist das nicht der höfliche Auftakt zu Smalltalk, sondern der Einstieg in ein Arzt- Patienten-Gespräch. Damit dies gelingt und beide Seiten davon profitieren, sind einige Dinge zu beherzigen.
Tipps für das Arzt-Patienten-Gespräch
Beobachten Sie in der Wartezeit auch andere Patient:innen, die aus dem Arztzimmer kommen? Die einen geknickt und ernst, die anderen fröhlich und gelöst, als hätten Sie einen netten Plausch mit einem guten Bekannten geführt. Natürlich ist das eine Typfrage und eine Frage des Gesundheitszustands, aber es hängt auch stark davon ab, wie das Gespräch geführt wurde. Dazu gehören immer zwei Gesprächspartner:innen und Sie selbst können ganz entscheidend am Erfolg mitwirken.
Ein entscheidender Faktor für ein gelungenes Gespräch ist Zeit. In Deutschland liegt die durchschnittliche Dauer eines Termins beim Allgemeinmediziner bei rund acht Minuten¹. Diagnose, Beratung, Medikation, Empathie im 8-Minuten- Takt. Fachärzt:innen haben ein anderes Zeitbudget, aber knapp ist die Zeit auch hier.
Sie können diese mit folgenden Tipps jedoch optimal nutzen!
Vorbereitung: Notizen machen und mitnehmen
Ein Gespräch hat einen Anfang und ein Ende. Dazwischen liegt ein Austausch von verbalen und nonverbalen Informationen, meist mit einem bestimmten Ziel. Im Fall des Arztgesprächs idealerweise zwischen empathischen Expert:innen und aktiven, selbstbewussten Patient:innen. Eine intensive Zeitspanne.
So können Sie sich gut vorbereiten:
- Als beste Gedankenstütze dienen Notizen, um nichts zu vergessen, was Ihnen wichtig ist. Ob auf Papier oder im Handy. Dort können Sie auch die Antworten festhalten.
- Sammeln Sie zwischen den Terminen Notizen zu Ihren Fragen.
- Halten Sie bei Symptomen Dauer und Datum fest.
- Gliedern Sie Ihre Notizen und Fragen: Was war seit dem letzten Termin auffällig? Wie ist das einzuordnen?
- Fragen Sie sich selbst: Was ist das Ziel dieses Gesprächs? Aus welcher Situation komme ich – geht es mir gut oder schlecht? Habe ich Besonderheiten zu berichten?
- Was möchte ich vordringlich besprechen? Wählen Sie möglichst eine begrenzte Anzahl Fragen (je nach Umfang der erwarteten Antwort) aus, damit diese auch in der zur Verfügung stehenden Zeit beantwortet werden können.
„WER FRAGT, FÜHRT DAS GESPRÄCH“
unbekannt
Unterstützung holen: Vier Ohren hören mehr als zwei
Vielleicht möchten Sie eine Begleitperson zur Unterstützung mitnehmen? Das muss nicht der Partner oder die Partnerin sein, auch Freunde, Geschwister oder Ihre erwachsenen Kinder können Sie unterstützen.
- Die Person, die Sie mit in das Gespräch begleitet, sollte Ihr Vertrauen haben und gut über Ihre MS-Erkrankung Bescheid wissen.
- Besprechen Sie, was Sie von Ihrer Begleitung erwarten. Vielleicht möchten Sie nur jemanden zum späteren Austausch, jemanden, der mitschreibt oder eine Vertrauensperson, die ebenfalls aktiv Fragen stellt.
- Wenn möglich, lassen Sie sich immer von derselben Person begleiten.
- Es ist natürlich auch vollkommen in Ordnung, alleine in das Gespräch zu gehen.
Fragen ankündigen und Rückfragen stellen
Wenn Sie Ihren jeweiligen Gesprächspartner:innen mitteilen: „Ich habe mir für unser heutiges Gespräch ein paar Fragen notiert“ und diese kurz nennen, können diese sich darauf einstellen und den dafür benötigten Zeitrahmen besser einschätzen. Dies gibt auch Gelegenheit, Ihnen zu sagen, ob genügend Zeit dafür vorhanden ist und die restlichen Fragen in einem weiteren Gespräch erörtert werden können. So besteht auf beiden Seiten von Anfang an Klarheit über das zu erreichende Ziel und es werden keine Erwartungen enttäuscht.
Vor allem anderen gilt: Stellen Sie Rückfragen, wenn Sie etwas nicht verstanden haben. Zur Not auch ein zweites Mal. Ihr Gegenüber wird versuchen, die Antworten für Sie verständlicher zu formulieren. Und viele Ärzt:innen sind froh, wenn ihnen gut informierte und mündige Patient:innen im Gespräch begegnen. Hilfreiche Formulierungen sind zum Beispiel: „Habe ich richtig verstanden, dass …?“ oder „Ist damit gemeint, dass …? oder auch „Das habe ich jetzt nicht wirklich verstanden!“
Hilfreiche Fragen für das direkte Arzt-Patienten-Gespräch
Zwischen den Terminen zur Kontrolle Ihrer MS-Erkrankung kann sich viel ereignen. Je nach Krankheitssituation stellen sich Fragen zu Symptomen, zur Medikation oder einer Therapie. Oft laufen die Termine sehr ähnlich ab, manchmal stellen sich neue Fragen und andere Themen tauchen auf, das kann beispielsweise vor einer Reise sein.
Diese Liste kann Ihnen einen Leitfaden für Ihre Vorbereitung und zum Ablauf des Gesprächs bieten:
Fragenkatalog zu Symptomen, Therapie und Medikamenten bei MS:
- Ist das beschriebene Symptom auf MS zurückzuführen?
- Was empfehlen Sie, was hilft gegen dieses Symptom? Was kann ich gegen diese Verschlechterung tun?
- Muss an der medikamentösen Therapie etwas geändert werden?
- Welchen Nutzen bringt ein anderes Medikament?
- Hat das neue Medikament Nebenwirkungen? Wenn ja, welche?
- Worauf muss ich bei der Einnahme des Medikaments achten?
- Wie kann ich an der Behandlung mitwirken?
- Welche begleitenden Therapien gibt es?
- Wo erhalte ich weiterführende Informationen?
- Was sind die nächsten Schritte?
- Welche Untersuchungen stehen an?
- Wann ist der nächste Kontrolltermin?
Bleiben Sie flexibel, die Liste bietet nur eine Auswahl von Fragen. Ärzt:innen sprechen vieles von sich aus an, dann wird der Punkt von Ihrer Liste gestrichen.
Wie wird man Expert:In in eigener Sache – und warum ist das auch für Laien relevant?
Warum sollte ich Expert:in in eigener Sache werden? Meine Ärzt:innen sind doch die Profis in Sachen Multipler Sklerose? Ein wichtiger Grund: Gut informierte Patient:innen sind bessere Ansprechpartner:innen für Ärzt:innen, denn sie verstehen Hintergründe und Notwendigkeiten der Therapie und stehen deshalb dahinter. Wer seine Therapie zur eigenen Entscheidung macht, weiß, um was es geht und versteht das Ziel. Dieser Mensch übernimmt Verantwortung und kann auch Nebenwirkungen akzeptieren. Diese Akzeptanz wiederum erhöht die Therapietreue.
Ein weiterer Grund: Informierten Patient:innen fällt es leichter, über ihre Krankheit und die Symptome zu sprechen, im Bekanntenkreis genauso wie bei Ärzt:innen. Dazu müssen Sie keine medizinischen Fachbücher wälzen, es gibt einige zuverlässige und darunter auch leicht verständliche Informationsquellen für Laien, gedruckt oder im Internet, oft auch in mehreren Sprachen.
Seriöse Quellen finden
Das sind die wichtigsten Ansprechpartner:innen für Multiple Sklerose:
- Die Fachgesellschaften sind eine erste und seriöse Anlaufstelle für die Recherche. Im Fall von MS ist das die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft DMSG www.dmsg.de, ebenso die
- MS-Selbsthilfegruppen, die sich online oder vor Ort regional organisieren. Sie finden diese unter www.amsel.de. Im Austausch mit anderen Betroffenen erhalten Sie unkompliziert Tipps bei speziellen Fragen, Adressen, an die Sie sich wenden können oder finden Personen, die bei Verständnisfragen unterstützen können.
- Wer einmal beginnt, sich zu informieren, findet rasch weitere gute Recherchequellen. Achten Sie darauf, ob die Autor:innen Quellen angeben, welcher Art diese Quellen sind und ob sie aktuell sind – so erkennen Sie zuverlässige Informationen.
„ZU WISSEN, WAS MAN WEISS, UND ZU WISSEN, WAS MAN TUT, DAS IST WISSEN“
Konfuzius
Zusammenfassung und Checkliste: Das sind die wichtigsten Punkte für das Arztgespräch
Ein Arztgespräch ist erst dann gut, wenn Sie als MS-Patient:in alles verstanden haben, sich und Ihre Bedürfnisse ernst genommen fühlen, Ihre Fragen adressieren konnten, Antworten erhalten haben und Ihnen geholfen wurde. Gute Kommunikation zwischen Ärzt:innen und Patient:innen ist grundlegend für eine erfolgreiche Behandlung, in der Therapieentscheidungen gemeinsam getragen werden.
Und nach dem Termin? Lassen Sie das Gesagte nachklingen, sehen Sie Ihre Notizen durch, fassen Sie diese zusammen, legen Sie Berichte in Ihrer Dokumentenmappe ab und prüfen Sie, ob Sie selbst etwas unternehmen müssen, beispielsweise Rezepte einlösen oder Physio-Termine vereinbaren.
Checkliste: Vor und nach dem Arzt-Gespräch
- Termin einhalten
- Fragenliste parat haben
- Zeit planen, Puffer berücksichtigen
- Fahrdienst organisieren
- Notizen, Zettel und Stift mitnehmen
- Durchatmen, Gedanken ordnen, aktiv am Gespräch teilnehmen
- Gespräch nachbereiten: Zusammenfassung dokumentieren
TIPP
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Disclaimer
Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.
Quellen:
1. So lang dauert ein Arztbesuch weltweit. Nier H. 2017 de.statista.com/infografik/12220/durchschnittliche-dauer-einer-aerztlichen-untersuchung-weltweit
Internetquellen zuletzt besucht am 24.07.2023