MEIN ALLTAG MIT MS
Coping bei Multipler Sklerose
Coping bei Multipler Sklerose – Strategien, um MS zu bewältigen
Voll rein in den Konflikt, Frust rauslassen oder aussitzen, abwarten, verdrängen? Welcher Typ sind Sie? Keiner – oder alle? Wir alle tragen ein bisschen von jedem Typ in uns, wenn es um Stressbewältigung geht. Insgesamt 15 Strategien und Muster werden unter Coping1 – ein Begriff aus der Psychologie für Bewältigung – zusammengefasst, mal aktiv und vorausschauend, mal reaktiv.
Ein Ansatz auch für MS-Bewältigung. Dabei geht es nicht nur darum, einfach irgendwie mit Stressreizen, Krisen und belastenden Situationen fertig zu werden, die uns an die Grenzen bringen und Angst machen. Wir können auch strategisch vorausschauend planen und uns dies zunutze machen. Im medizinischen Sinn bezeichnet Coping das Bewältigungsverhalten und die Krankheitsverarbeitung von Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen, also auch Coping bei Multipler Sklerose. Denn MS ist auch Stress für die Psyche.1
Coping bietet keine Erfolgsgarantie oder ein Patentrezept. Coping beschreibt schlicht verschiedene Verhaltensmuster und Reaktionen auf stressige Situationen. Dazu gehören auch schädliche Reaktionen wie Stressessen oder Alkohol- und Drogenmissbrauch. Erst das Analysieren und Üben von Methoden erlaubt, sich aktiv für das passende Verhalten in der jeweiligen Situation zu entscheiden und so eine nachhaltige Stressregulation zu erreichen.
Dieses funktionale Coping kann als Therapiemöglichkeit wirksam werden. Die dort erworbenen Coping Skills helfen nicht nur der Psyche der von MS Betroffenen, sondern auch den Angehörigen und dem gesamten Umfeld. Schließlich bedeutet das englische Wort „to cope with” nichts anderes als bewältigen, mit etwas fertig werden. Die Psychologie wendet den Begriff darauf an, wie man in beängstigenden und bedrohlichen Lebensphasen reagiert. Das Ziel ist, besser mit schwierigen Situationen und einschneidenden Lebensereignissen fertig zu werden.2
Trauer, Ärger, Frust, Angst: Das Erklären der Coping-Modelle
Den Ursprung des Coping-Modells legte der Psychologe Richard Lazarus 1984.2 Nach seiner Definition fallen unter Coping alle menschlichen Reaktionen in belastenden Situationen, unter Stress oder Bedrohung oder Angst vor Verlust oder Schaden. Es sind komplexe Wechselwirkungen zwischen den Anforderungen der Situation und der betroffenen Person, die zu einer bestimmten Reaktion führen. Deshalb unterscheidet sich das Coping von Situation zu Situation und von Mensch zu Mensch – es betrifft Kopf, Gefühl und Aktion.
Ein bisschen Theorie erklärt den Hintergrund, auf dem Coping aufbaut und zur hilfreichen Bewältigungsstrategie werden kann.
Der Psychologe Lazarus teilte das Coping in drei Kategorien ein:
- Das problemorientierte Coping rückt das Problem in den Fokus. Zur Problemlösung werden Handlungen unterlassen oder das Problem aktiv angegangen. Ein Beispiel: Sie streiten sich mit Ihrer Freundin, fühlen sich verletzt und müssen immer wieder daran denken. Entweder sprechen Sie Ihre Freundin aktiv auf den Grund Ihrer Verletzung an oder Sie vermeiden dieses Thema in Zukunft grundsätzlich.
- Im emotionsorientierten Coping wird das Problem möglichst sachlich betrachtet, um den emotionalen Stress zu verringern. Ein Beispiel: Sie sagen sich, dass der oben erwähnte Streit mit Ihrer Freundin nicht so wichtig ist, dass Sie Ihnen in vielen anderen Situationen immer eine wichtige und wertvolle Freundin war. Und dass man über dieses eine Thema ja auch ein anderes Mal sprechen könne.
- Das bewertungsorientierte Coping verändert den Blick auf das Problem, das nicht als Stress, sondern als Herausforderung gesehen werden soll, für die Lösungen entwickelt werden können. Ein Beispiel: Sie bewerten den Streit nicht mehr als Verletzung, sondern als Chance, mit Ihrer Freundin endlich mal über ein paar grundsätzliche Probleme in Ihrer Kommunikation zu sprechen und damit das Problem ein für alle Mal zu lösen.5
In diesem Stressmodell hat jedes Verhalten eine Aufgabe, wie beispielsweise die Situation erträglicher zu machen oder das Gefühl zu wecken, dass alles wieder besser wird oder die eigenen Gefühle zu kontrollieren.2 Ein Beispiel: Wer im Rahmen der MS-Physiotherapie gelernt hat, dass Bewegung und Sport gegen Spastik helfen, hat dadurch eine Strategie im Handwerkskoffer der Stressbewältigung.3 Im wahren Leben erfordert wohl jede Situation, alle drei Ebenen zu verbinden: Kopf, Herz und Hand.
Auf solche Erfahrungen kann im Coping bei Multipler Sklerose zurückgegriffen werden, um Bewältigungsstrategien zu entwickeln und sich nicht hilflos einem Lebensereignis wie einer MS-Diagnose ausgeliefert zu fühlen. Dies gilt nicht nur für körperliche Herausforderungen wie z.B. die zunehmenden Einschränkungen der Beweglichkeit, sondern zum Beispiel auch, Veränderungen im sozialen Bereich wie Beruf und Partnerschaft.
Zur Stressbewältigung gibt es auch alternative Coping-Modelle. Ansätze bieten Achtsamkeitstraining, Yoga, Meditation, Glaubenserfahrungen. Rituale und Strukturen helfen im Alltag, die erfolgreiche Umsetzung kleiner Projekte erzeugt Glücksgefühle und Selbstbestätigung.
Coping-Strategien setzen im Großen und im Kleinen an
Coping-Strategien fordern eine Veränderung, entweder muss das Problem entfernt oder das eigene Verhalten verändert werden.
Das gilt ebenso für die ganz großen Probleme wie für die kleinen – ganz pauschal gesagt.
Für MS lassen sich daraus maßgeschneiderte Strategien ableiten. Ein paar Beispiele:
- Statt mit der Familie über Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Müdigkeit sinnlos zu streiten, versuchen Sie Ihr Verhalten zu ändern und suchen aktiv das Gespräch über Ihre Ängste und Sorgen.
- Sexualität und mangelnde Lust sind ein schwieriges Thema in Partnerschaften. Partner:innen ziehen sich zurück, der oder die andere fühlt sich zurückgewiesen. Gehen Sie auch hier das Problem aktiv an und wenden Sie sich an eine Paarberatung oder klären in einem Arztgespräch, was bei Funktionsstörungen helfen kann.
- Wenn Sie um verlorene Fähigkeiten trauern, besinnen Sie sich auf Ihre Stärken oder entdecken Sie neue Interessen und Leidenschaften: Fußballspielen mit den Neffen und Nichten geht nicht mehr? Laden Sie zum Spielenachmittag oder Filmabend mit selbstgemachten Snacks.
Abwarten oder planen, konkurrierende Aktivitäten unterdrücken, die Situation neu bewerten sind ebenfalls Strategien. Humor, besonders Sarkasmus oder Ironie helfen vielen Menschen, sich emotional vom Thema zu distanzieren. Dampf ablassen oder Ignorieren des Problems ebenso. Schlechte Problemlöser, die langfristig schaden, sind Alkohol, Drogen oder Stressessen.
Den Stressauslöser MS kann man nicht beseitigen, also heißt es, am Verhalten zu arbeiten und das Ereignis oder die Probleme neu zu bewerten.
Ein Beispiel für Coping bei Multipler Sklerose: Gut informierte Patient:innen recherchieren in vertrauenswürdigen Quellen und verstehen die Zusammenhänge, so können sie sich mit auftretenden und zu erwartenden Problemen auseinandersetzen und sich innerlich vorbereiten. Das kostet Zeit, aber diese Zeit ist gut investiert. Der Austausch in Selbsthilfegruppen hilft bei der Einordnung der gewonnen Information. Die Situation ist immer noch nicht gut, aber die neue Bewertung ist ein Ausweg aus der Hilflosigkeit und ein Mittel der Problembewältigung. Das Gefühl, ausgeliefert zu sein, weicht zurück.
„DIE LÄNGE EINES AUGENBLICKS WEILT SO LANGE, WIE DU ES ZULÄSST.“
unbekannt
Coping bei MS
Für das Coping bei MS lässt sich aus diesen Theorien einiges ableiten. Besonders die Analyse des eigenen Verhaltens und wie man sich danach fühlt, kann wichtige Aufschlüsse geben. Psychotherapeut:innen können mit Ihnen Coping-Strategien erarbeiten und einüben. Sie können Ihren eigenen Coping- Stil, der verschiedene Strategien umfasst, entwickeln und beeinflussen. So können Sie je nach Situation die passende Strategie anwenden.
TIPP
Die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) stellt in der Broschüre “Schmerzen bei Multipler Sklerose” Therapiemöglichkeiten und Coping- Strategien bei Schmerzen bei Multipler Sklerose vor.4
Abgrenzung zwischen Coping und Resilienz
Eine Erfolgsgarantie gibt es leider nie. Während Coping immer wieder neu für aktuelle Situationen angepasst werden muss, ist Resilienz eine Grundhaltung in der Stressbewältigung. Diese Widerstandsfähigkeit erlaubt es, Krisen zu meistern und daraus zu lernen. Bei weiteren Veränderungen kann auf diese Erfahrungen zurückgegriffen werden, man wächst daran.
Beide sind keine MS-Therapie im medizinischen Sinne. Weder Coping noch Resilienz kann MS stoppen. Doch sie sind Wege aus der Hilflosigkeit, sie führen aus der Opferrolle und dem Gefühl der Verzweiflung. Wer resilient ist, verfügt wohl über gute Coping-Strategien.
TIPP
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Disclaimer
Diese allgemeinen Informationen haben nicht die Absicht, eine Erkrankung zu diagnostizieren oder medizinisches Fachpersonal zu ersetzen. Um die beste Beratung für Ihre Krankheit sowie Antworten auf Ihre medizinischen Fragen zu erhalten, sollten Sie einen Mediziner konsultieren. Nur ein Arzt kann Ihre Lage vollumfänglich und angemessen einschätzen und entscheiden, welche Behandlungen erforderlich sind.
Quellen:
1. https://www.resilienz-akademie.com/die-15-coping-strategien/
2. https://studyflix.de/biologie/coping-2965
3. https://www.curado.de/coping-31497
4. https://www.dmsg.de/service/shop/detail?tx_cartproducts_
products%5Bproduct%5D=13&cHash=bad2b4ce7db54f13f2689d83bbb26a7d
5. https://www.wellabe.de/magazine/bewältigungsstrategien
Internetquellen zuletzt abgerufen am 04.11.2022